Claudia Hofmann - Alumni des Monats August 2022

Geschäftsleiterin Wohnenbern
Seit Jahren bin ich davon überzeugt, dass gute Führung nur gelingt, wenn sie auf humanistischen Grundwerten beruht. Dass die HSG in diesem Lehrgang den Schwerpunkt darauf legt, finde ich eminent wichtig.
5 Min. Lesezeit
Nach dem Studium der Sozialarbeit arbeitete ich während 13 Jahren als Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Ländern wie dem Irak, Afghanistan, Tschetschenien, Georgien, Kongo, Liberia und einigen mehr. Seit 2018 bin ich als Geschäftsleiterin von Wohnenbern tätig, einem gemeinnützigen Verein, der in der Stadt Bern Wohnraum und Wohnbegleitung für rund 160 Menschen anbietet, die von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind. Zusätzlich bin ich Autorin des Buches «In jeder Hölle ein Stück Himmel – 13 Jahre in Kriegs- und Krisengebieten» und lebe mit meiner zehnjährigen Tochter in Bern.
Guten Tag Frau Hofmann. Schön, dass Sie Zeit für ein Gespräch haben. Sie sind seit vielen Jahren im sozialen Bereich tätig. Können Sie uns etwas zu Ihrem beruflichen Werdegang erzählen?
Gerne. Ich habe Politikwissenschaften studiert und bin dann über Umwege in den humanitären Bereich gekommen. Ich war 15 Jahre beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) tätig, davon 10 Jahre in Krisengebieten als Delegationsleiterin. Danach war ich 5 Jahre beim Schweizerischen Roten Kreuz und bin seit 2019 Geschäftsführerin von Wohnenbern. Wohnenbern ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für Menschen in prekären Wohnsituationen einsetzt. Wir vermitteln Wohnraum, begleiten obdachlose Menschen und setzen uns für bezahlbaren Wohnraum ein.
Warum haben Sie sich damals für den CAS Change & Innovation Management entschieden?
Nach 20 Jahren im humanitären Bereich wollte ich mich nochmals weiterbilden und neue Impulse für meine Führungstätigkeit erhalten. Der CAS Change & Innovation Management hat mich angesprochen, weil er sich mit aktuellen Herausforderungen in der Führung beschäftigt und gleichzeitig sehr praxisorientiert ist. Zudem war mir wichtig, dass der Lehrgang von der HSG angeboten wird, einer renommierten Universität mit hoher Qualität in der Weiterbildung.
Welche Berührungspunkte hatten Sie vor dem Studiengang mit den Themen Change & Innovation Management?
In meiner Arbeit als Delegationsleiterin des IKRK war ich es gewohnt, dass sich Strukturen, Prozesse und Aufgaben von einem Tag zum anderen ändern konnten. Wir sehen dies leider momentan am Kriegsausbruch in der Ukraine. Gerade in Führungspositionen benötigt es unglaubliche Anpassungsfähigkeit und einen kühlen Kopf, um sich auf ein ständig änderndes Umfeld einzulassen. Führen im Krisengebiet ist „real VUCA world“, jeden Tag. Die Frage, wie ich als Führungsperson meine Mitarbeitenden dazu bringe, Höchstleistungen zu erbringen und dabei motiviert, zufrieden und gesund zu bleiben, auch wenn die Umstände widrig oder sogar gefährlich sind, fasziniert mich schon seit langem. Wenn einem dies gelingt, ist es unglaublich zu sehen, was ein Team alles erreichen kann.
Im Studiengang wurde immer wieder deutlich, wie wichtig Ihnen eine Tätigkeit im sozialen Umfeld ist. Können Sie uns etwas zu Ihrer Motivation hierfür erzählen?
Wenn mich jemand vor dem Lehrgang fragte, weshalb ich zeitlebens Arbeitsstellen beim IKRK, SRK oder bei Wohnenbern im Non-Proft-Bereich wählte, dann konnte ich darauf nie eine klare Antwort geben. Natürlich hat es damit zu tun, dass ich stets eine soziale oder humanitäre Aufgabe suchte, die sinnstiftend ist, eine Arbeit mit „Purpose“. Aber warum genau? Erst im Modul Selbstmanagement habe ich herausgefunden, dass mein „Leitwert“ im Leben das soziale Engagement ist. Daneben gibt es natürlich noch andere Werte, die mir wichtig sind, wie zum Beispiel „Unabhängigkeit“, „Selbstbestimmung“ oder „Toleranz“. Aber wenn das soziale Engagement in meinem Leben wegfällt, dann habe ich das Gefühl, von meinem Weg abgekommen zu sein. Mit diesem neuen Wissen wurde mir rückblickend vieles klarer
Die aktuelle Pandemie hat leider nicht dazu geführt, dass unsere Gesellschaft enger zusammenrückt. Was glauben Sie muss passieren, dass wir uns gegenseitig wieder mehr respektieren und wertschätzen?
In jeder Krise kommt in uns Menschen der Überlebenswille zum Vorschein: wenn unsere Existenz bedroht ist, geht es in erster Linie einmal um uns selbst und um unsere Familie. Das ist normal und ich habe dies in jedem Krisen- und Kriegsgebiet immer wieder erlebt. Aber in jeder Krise habe ich auch viel Solidarität unter den Menschen gespürt, das gilt auch für die Pandemie. Man wächst plötzlich zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen. Ich bin überzeugt, dass die Erfahrung der letzten zwei Jahre bei vielen Menschen auch zu mehr Empathie, gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und auch zu Dankbarkeit geführt hat oder noch führen wird, sobald die Krise vorüber ist.
Viele soziale Einrichtungen leiden zunehmend unter wirtschaftlichem Druck. Wie können sich gemeinnützige Institutionen in diesem Bereich noch besser aufstellen?
Ich sehe für die Zukunft grosse Chancen darin, Kooperationen und soziale Ökosysteme zwischen Non-Profit- Organisationen und gewinnorientierten Unternehmen zu bilden. Als Beispiel: Wohnenbern führt mit dem neu eröffneten „DOCK8“ ein inklusives, nicht gewinnorientiertes Restaurant ohne Konsumzwang in einer neu entstehenden Siedlung in der Stadt Bern. Das „ganz normale“ öffentliche Restaurant ist gleichzeitig auch eine Art „Wohnzimmer“ und Anlauf- und Beratungsstelle für Menschen in prekären Lebenssituationen. Die sechs Bauträger der Siedlung haben sich explizit für unseren Betrieb ausgesprochen und unterstützen ihn, indem sie Anlässe, Sitzungen, Mitgliederversammlungen oder Weihnachtsessen bei uns abhalten. Solche Kooperationen finde ich spannend, da beide Seiten ohne Abhängigkeitsverhältnis voneinander profitieren und wir einander verschiedene Lebenswelten näherbringen können.
Viele Unternehmen tun sich heutzutage schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Wie ist das in Ihrem Bereich und welche Inhalte aus dem Lehrgang helfen Ihnen, dass Wohnenbern für Bewerber attraktiv ist?
Wir waren bisher in der komfortablen Position, genügend Bewerbungen auf offene Stellen zu erhalten. Hierbei hilft sicher, dass die Aufgabe, Wohnraum zu vermitteln und obdachlose Menschen zu begleiten, als sehr sinnstiftend angesehen wird. Der Lehrgang hat mir bestätigt, dass wir bei Wohnenbern auf dem richtigen Weg sind: wir leben eine offene, transparente Führungskultur, die von Vertrauen, Akzeptanz, Empathie und Echtheit geprägt ist. Ich habe früh gelernt, dass ich als Führungsperson weder alles wissen, noch in allem gut sein muss. Dafür muss ich meinen Mitarbeitenden vertrauen und erkennen, wie und wo ich sie am besten einsetzen kann. Wir haben bewusst flache Hierarchien und setzen auf Selbstorganisation: alle Mitarbeitenden arbeiteten schon vor der Pandemie voll mobil, wo und zu welchen Zeiten es ihnen am besten passte. Zudem ist uns selbstverständlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig, bei Frauen genauso wie bei Männern
Welche Hürden müssen Ihrer Meinung nach überwunden werden, dass Innovationsprojekte im Non-Profit-Bereich noch besser umgesetzt werden können?
Meines Erachtens ist es wichtig, dass sich Non-Profit-Organisationen nicht auf Leistungsverträgen mit Behörden ausruhen, sondern ihre Strukturen und Prozesse genauso professionell aufstellen wie ein gewinnorientiertes Unternehmen. Hier hat sich in den letzten Jahren zum Glück sehr viel zum Positiven verändert. Eine grosse Hürde für Innovationsprojekte im NPO-Bereich bleibt jedoch die Finanzierung. Wenn ich höre, dass Konzerne Millionen für „Innovationshubs“ ausgeben, während wir mit nichts Innovation angehen, dann macht mich das schon betroffen. Auch hier sind Kooperationen sinnvoll: wenn wir als gemeinnütziger Verein mit der Unterstützung eines Unternehmens ein innovatives Projekt zum Beispiel im Bereich soziale Gleichberechtigung umsetzen können, profitieren alle davon.
Der Lehrgang ist sehr interaktiv gestaltet und beinhaltet deswegen viele Gruppenarbeiten und Workshops. Welche Lerneffekte konnten Sie für sich daraus mitnehmen?
Den Austausch in der Gruppe erlebte ich immer sehr bereichernd und spannend. Ich lernte enorm viel von den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Immer wieder wurde in den Gruppendiskussionen klar, wie wichtig positive leadership ist, egal in welchem Bereich wir tätig sind. Der folgende Satz einer Teilnehmerin „Ich möchte die Führungskraft sein, die ich nie hatte“, macht mich auch heute noch betroffen. Es ist erschreckend, wie viele Menschen im Leben Erfahrung mit toxischen Führungskräften machen. Ich bin sicher, dass der Lehrgang und der Austausch in der Gruppe sich positiv auf die Führungsqualitäten der Teilnehmenden auswirken wird.
Was war Ihr persönliches Highlight im Studiengang?
Ich hatte ganz viele Highlights! Der ganze Lehrgang war sehr inspirierend und ich habe viel davon profitiert. Zwei Highlights stechen jedoch heraus: 1. Seit Jahren bin ich davon überzeugt, dass gute Führung nur gelingt, wenn sie auf humanistischen Grundwerten beruht. Dass die HSG in diesem Lehrgang den Schwerpunkt darauf legt, finde ich eminent wichtig. 2. Was mich am meisten beeindruckte, waren die jüngeren, weiblichen Führungskräfte. Ich selbst hatte mit 26 Jahren meine erste Führungsstelle inne und gehörte die nächsten 20 Jahre über vielfach zu den unter 10% Frauen im Topkader. Was ich mir dabei oft von Männern aber auch von Frauen anhören musste, kann hier nicht wiedergeben werden. Im Lehrgang habe ich mich wahnsinnig darüber gefreut, mit welcher Selbstverständlichkeit, Energie und Positivität Frauen um die 30 ihre Führungsrolle ausfüllen. Das hat mir enorm viel Zuversicht gegeben, was den Anteil an weiblichen Top-Führungskräften in der Zukunft anbelangt! Vielen Dank für die interessanten Einblicke, Frau Hofmann!
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